Verarbeitung von Videosequenzen der Sonnenbeobachtung.
Einleitung
Die Fotografie von flächigenObjekten, wie Mond, Sonne und Planeten, wird heutzutage vorwiegend mit leistungsfähigen, astronomischen Videokameras gemacht. Die Videotechnik ermöglicht hervorragende Unterdrückung von Seeing-Effekten, hervorgerufen durch die turbulente Atmospäre. Speziell die Fotografie der Sonne kämpft mit der Luftunruhe , die am Tage besonders variabel und stark sein kann.
Aus diesem Grund sind für gute Fotoresultate schnelle, empfindliche Kamerasensoren von Vorteil. Man kann dann Belichtungszeiten für die Einzelbilder (Frames) von bis zu 1/1000 s erreichen, je nach verwendetem optischen System.
Nach der Erzeugung einer Viedeosequenz aus mehreren 100 (oder 1000) Frames , meist im AVI-Format, steht dann die Vearbeitung an, die zu einem optimalen Resultatbild führt. Zunächst kommt ein „Stapelprogramm“ (Stacking-Programm) zu Einsatz, das die Bildfolge in programminternen Schritten übereinanderlegt und ein Resultatbild liefert. Stapelprogramme für Sonne-, Mond- und Planeten- Fotografie müssen andere Verfahren zur Bildkorrektur verwenden als die „Deep-Sky“ Stapler, die die Sterne als Referenzpunkte zur Korrektur verwenden können. Die Referenzpunkte müssen hier anhand von markanten Bilddetails (Sonnengranulen, kleine Mondkrater usw. ) automatisch oder manuell ausgewählt werden. Bei allen Stackern dienen diese Bildpunkte dann zur Korrektur einer Bilddrift (Nachführfehler) und den Auswirkungen der turbulenten Atmospäre (Bildverformumgen , „Seeing-Fehler). Gute Stapler liefern auch bei schlechterem Seeing erstaunlich aufgelöste Bilder. (Weiter unten werden einige Beispiele für die Sonne gezeigt)
Freie Programme für den Stackingprozess gab es in der Vergangenheit einige, wie AVIStack2, Registaxx, Giotto und etwas neuer Autostakkert!3. AVIStack2 wird schon seit einigen Jahren nicht mehr betreut und weiterentwickelt, kann aber immer noch von www.avistack.de heruntergeladen, und gut genutzt werden. Ebenso wird Registaxx und Giotto nicht mehr weiter betreut. Ein weiteres, heute wohl am meisten für die Verarbeitung von Sonne-, Mond- und Planetenvideos benutztes Programm, ist Autostakkert!3 (AS!3), so wie die vorher genannten von seinem Autor als "Closed-Source" entwickelt.
AS!3 wurde von mir seit 2019 an Stelle von AVIStack2 benutzt, weil es keine Probleme mit langen Videosequenzen hatte, was bei AVIStack2 leider der Fall war. Anfang 2021 wurde ich auf ein "Open-Source" Projekt aufmerksam, das von Rolf Hempel 2019 gestartet worden war und als "PlanetarySystemStacker" (PSS) für die Objekte des Sonnensystems einen Stacker bietet. Software und Dokumentation unter: PSS
PSS wird fortlaufend von einem freien Team weiterentwickelt (augenblicklich die Version 0.8.31 vom Feb. 21) und bietet den grossen Vorteil einer plattformunabhängen Software für Linux, Mac und Windows. (Die benutzte Programmiersprache Python3 macht dies möglich!) Auch ist eine gute Dokumentation vorhanden, die bei AS!3 fehlt. Ich werde nun in Zukunft hauptsächlich mit dem PSS die Sonnenvideos verarbeiten
Der grundsätzliche Verarbeitungsablauf ähnelt stark dem bei AVIStack2:
1. ) Auswahl von Einzelbildern (Frames) nach Qualität (Schärfe und Helligkeit)
2.) Setzen eines Bildbereichs zum Ausrichten der ausgewählten Frames (Korrektur von
Nachführungsdriften)
3.) Ausrichten der Bilder
4.) Setzen von Referenzpunkten, verteilt über die Bildfläche (generiert von AVIStack,
manuell veränderbar) Diese Punkte dienen zum Ausgleich einer Bildverformung
durch Seeingfehler.
5.) Aufteilung der Bilder in Bereiche um die Referenzpunkte. Bestimmung der
Bildqualität in diesen Bereichen.
6.) Ausrichtung der Referenzpunkte über alle Frames
7.) Auswahl der besten Bereiche jedes Frames
8.) Stapelung der Frames zum Resultat Rohbild.
Nach Start des Programms erscheinen drei Fenster, links die Steuerung der Eingabedateien, in der Mitte die Liste der Verarbeitungsschritte, jeweils aufklappbar zur Einstellung der betreffenden Parameter. Rechts ein Fenster für die Anzeige der Videoframes.
Nach Start von PSS wird eine Videodatei (AVI, SER, ...) für die Verarbeitung ausgewählt :
und über "Start" der Einlese- und Bewertungsprozess angestossen:
Unter "Edit" kann unter "Frame-Related Parameters" "Dialog to exclude..." die Ansicht aller eingelesenen Frames eingeschaltet werden:
Man kann dann schon vor der weiteren Verarbeitung fehlerhafte Bilder deaktivieren, was in der Regel nicht nötig ist, evtl. nur bei stark verschobenen, oder durch Wolken abgeschattete Frames:
Bemerkung zum Erzeugen und Benutzen eines "Flat-Frames"
Vor dem endgültigen Stapelprozess kann noch ein „Masterflat“ gesetzt werden das beim Stapeln angewendet werden soll.
Sinnvoll ist dies einmal zum Unterdrücken von Flecken auf den Bildern, hervorgerufen durch Staubkörnchen auf dem Kamerasensor oder einer optischen Fläche. Zum anderen zur Unterdrückung von Vignettierung und Interferenzeffekten bei der H-Alpha Fotografie. Kleine Kollimationsfehler im Strahlengang vor dem H-Alphafilter führen zu diesen Bildfehlern.
Kleine Kamerasensoren, wie die der DMK21Au618 von TIS ( 4,46 x 3,8 mm) zeigen dies weniger als bei den gößeren Sensoren der Celestron Skyris 445M (6,26 x 5,01 mm). Diese beiden Kameras werden bei mir eingesetzt.
Die Erstellung eines Flats ist bei der H-Alpha Fotografie eigentlich immer sinnvoll und sollte unmittelbar vor der eigentlichen Aufnahme gemacht werden. Zur Flat-Erzeugung kann man einfach eine milchige Folie (z.B. eine Dokumentenhülle) vor die Teleskopöffnung hängen und einige Frames aufnehmen.
In PSS wird dann ein Flatfile erzeugt, indem man dies Video lädt und unter "Calibrate" mit "Create new master flat frame" ein Flat-Bild erzeugt, das für weitere Stacks mit "Load master flat frame" benutzt werden kann.
Bei Weißlicht (Kontinuum) Fotos ist dies nur im Notfall einer „verstaubten“ Optik nötig.
Der nächste Schritt ist die Auswahl eines markanten Bildbereichs zum folgenden Ausrichten des nach Qualität sortierten Bildstapels, entweder manuell (siehe Bild) oder automatisch (wird unter "Edit", "Frame-related parameters", "Automatic frame stabilization" gesetzt):
Mit OK gehts zum Auswahlfenster für den Umfang der Frames für den Stackprozess. Es hat sich bewährt, zwischen 10 und 25 % der Bilder auszuwählen.
Der nächste Schritt setzt das Gitter der "Ankerpunkte" (AP) für den Stackvorgang. Hier ist Probieren angesagt, wie auch bei den anderen Parametern. Eine Grösse von ca. 45 pixel für die "alignment box" ist ein guter Anfangswert.
OK löst das Stacken aus und speichert das Resultatbild im Videordner ab. Bildtyp und Name kann unter "Edit", "Workflow Parameters" eingestellt werden.
In PSS ist in einem letzten Nachbearbeitungsschritt eine Bildschärfung aktivierbar. Es ist ein sogenanntes „wavelet“ Verfahren, das fein abgestimmt werden kann, und recht schwierig zu bedienen ist. Ich benutze diesen Schritt nicht, sondern bearbeite die Rohbilder in externen Programmen die unten beschrieben werden.
Verbesserung des Rohbildes
Zur Schärfung von Sonnenbildern, aber auch für Mond und Planeten-Fotografie, haben sich für mich zwei freie Programme bewährt, die ich als Standard benutze:
ImPPG : ausgezeichnetes Programm zur Bildschärfung mit den Verfahren der unscharfen Maskierung und einem Dekonvolutionsverfahren.
FitsWork : Korrektur von Rauschartefakten, Filterungen im Frequenzbereich (FFT)
Schärfung und Tonwertkorrektur mit ImPPG
Das mit PPS gewonnene Bild wird mit einem Filedialog in imppg geladen.
Links des Bildfensters werden die Parameter des „Dekonvolution/Entfaltungs“ (Lucy-Richardson Dekonvolution) und der „Unscharfen Maskierung“ eingestellt.( Auf die mathematischen Grundlagen beider Verfahren soll hier nicht eingegangen werden) Beide Schärfungen können einzeln oder kombiniert angewendet werden.
Ein erster Versuch sollte mit der Dekonvolution beginnen, die Resultate werden in einem kleinen Rechteck des Bildes angezeigt. Es ist immer empfehlenswert das Fenster zur Anpassung der Tonwerte/Gradation des Bildes offen zu haben. Ein Klick auf „Stretch“ begrenzt die Tonwertkurve auf einen optimalen Bereich, die Form der Kurve kann dann noch manuell „verbogen“ werden. Das Bild unten zeigt das Resultat nach einem „Stretch“, das zu dunkle Bild ist gut aufgehellt und leicht geschärft mit den Anfangsparametern.
Allgemeine Regeln zur Einstellung der Parameter sind schwer zu nennen, ein vorsichtiges Erhöhen des Sigma-Werts bis zum Erscheinen von offensichtlichen Bildartefakten hat sich bewährt. (Das Überschärfen zeigt sich immer durch eine „körnige“ Struktur im gesamten Bild.)
Zusätzlich kann man noch die unscharfe Maske mit höherem Sigma und Schärfungswert („Amount“) anwenden. Probieren ist immer die beste Methode. Oft ist es ausreichend, nur mit der unscharfen Maske zu arbeiten, mit „disable“ wird die Dekonvolution abgeschaltet. Zur richtigen Beurteilung des Schärfens sollte man die Bearbeitung auf das gesamte Bild ausdehnen. Ein Klick auf das 4. Symbol in der Werkzeugleiste schaltet dies ein.
Im nächsten Bild sind die Einstellungen für ein gut geschärftes und tonwertkorrigiertes Bild zu sehen.
Zum Vergleich das Ergebnisbild aus der Stapelung mit PPS über dem Bild nach der Schärfung und Tonwertanpassung in ImPPG:
17-05 - 11-17 pss 27
imppg kann von folgender Website frei runtergeladen werden:
https://greatattractor.github.io/imppg/